Poppele und der versiegte Wein
Eine arme Frau aus Schlatt, die ein Kindlein erwartete, war dabei,
draußen im Feld für ihre einzige Ziege Futter zu schneiden. Während sie
sich stöhnend bückte und ihre Sichel durch das Gras sausen ließ, dachte
sie an ihre nahe Niederkunft und wie es ihr wohl dabei erginge; denn
sicherlich vertränke ihr Mann noch den letzten Heller, so dass sie sich
keine Stärkung gönnen könne. So bat sie inbrünstig, der Poppele möge sich
doch ihrer erbarmen und ihr ein Fässlein guten Weines zukommen lassen.
Kaum hatte sie den Wunsch geäußert, als ein Jägersmann des Weges kam,
welcher der armen Frau auftrug, flugs nach Hause zu gehen und das leere,
unter der Stiege liegende Fässlein zu holen. Die Frau tat, wie ihr
geheißen. Und siehe da, der Jäger, der kein anderer als der Poppele selber
war, füllte das Fässlein mit köstlichem Wein, verbot aber der Frau, ihrem
trunksüchtigen Manne auch nur einen Tropfen davon zu geben. Tue sie es
trotzdem, sei es mit dem Segen zu Ende.
Freudestrahlend kehrte die Frau nach Hause zurück und tat sich an dem
herrlichen Tropfen jeden Tag gütlich. Um auch andere Arme an ihrem Glück
teilnehmen zu lassen, ließ sie jeden, der darum bat, reichlich von dem
Wein kosten, nur ihren Mann nicht. Als dieser aber erst drohte, und,
nachdem dies nicht fruchtete, sich aufs Bitten und Schmeicheln verlegte,
wurde sie schließlich weich und meinte: Ein Krüglein dürfe er sich schon
holen, das merke der Poppele nicht.
Aber weit gefehlt! Als nämlich der Mann, das rußende Kerzenlicht in der
Hand, die Kellertreppe hinuntergestiegen war und den Fasshahn aufdrehen
wollte, stand plötzlich der Poppele vor ihm und gab ihm eine solche
Ohrfeige, dass der Krug zu Boden fiel und die Kerze erlosch. Dabei kam es
aus dem Dunkel mit Grabesstimme: „Nicht für dich, du Säufer und
Verschwender, war dieser Wein gemünzt, sondern für deine arme Frau. Nun
wird auch sie wieder dürsten müssen!“
Als der Mann zitternd seiner Frau gestand, was er erlebt hatte, stiegen
beide nochmals in den Keller hinunter, aber wie sehr sie auch an dem
Fasshahn drehten und das Fässlein sattelten, es gab fortan keinen Tropfen
mehr her.